1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Weltweite Wirtschaftskrise
 

Reichstagswahl 1928
Die Republik zwischen Festigung und Gefährdung - so lässt sich auch der Ausgang der Reichstagswahlen vom 20. Mai 1928 einordnen, wenn man ihn mit dem Ergebnis der Wahl vom Dezember 1924 vergleicht. Eindeutige Wahlsiegerin war die SPD; an ihrer Regierungsbeteiligung, die sie jetzt auch selbst wieder wünschte, führte kein Weg vorbei. Damit stand zugleich fest, dass die DNVP, die im Übrigen schwere Verluste erlitten hatte, der künftigen Koalition nicht angehören würde. Beunruhigend wirkten jedoch die beträchtlichen Einbußen der Mittelparteien, während die KPD und die Splitterparteien Mandate hinzugewannen. Die Nationalsozialisten, deren Parteiapparat Hitler seit seiner vorzeitigen Haftentlassung am 20. Dezember 1924 mühsam, aber erfolgreich wieder aufgebaut und reichsweit beträchtlich erweitert hatte, erhielten immerhin zwölf Parlamentssitze.
Die Regierungsbildung bereitete dem zukünftigen Reichskanzler Hermann Müller (SPD) einige Schwierigkeiten: Da die BVP die Beteiligung an einer "Weimarer Koalition" ablehnte, kam nur eine "Große Koalition" von der SPD bis zur DVP infrage. Sie konnte jedoch erst am 13. April 1929 besiegelt werden - so lange dauerten die Querelen zwischen den Koalitionspartnern, sodass bis dahin nur ein lose auf die Fraktionen gestütztes "Kabinett der Persönlichkeiten" amtierte. Einerseits verfügte die Große Koalition, in der die Sozialdemokraten neben dem Reichskanzler den Innenminister (Carl Severing), den Finanzminister (Rudolf Hilferding) und den Arbeitsminister (Rudolf Wissell) stellten, über eine breite Mehrheit im Reichstag; andererseits fragten sich politische Beobachter, wie lange die Zusammenarbeit zwischen den Regierungsparteien wohl gut gehen würde, denn in die Koalition waren gleich mehrere "Soll-Bruchstellen" eingebaut:
·Die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder hatten in ihrer eigenen Fraktion keinen leichten Stand. Nachdem sie entgegen der Parteilinie um der Koalition willen im Kabinett dem Bau des von den bürgerlichen Parteien gewünschten (wegen seiner kompakten Bauweise das Verbot von Großkampfschiffen im Versailler Vertrag umgehenden) Panzerkreuzers A zugestimmt hatten, mussten sie am 14. November 1928 im Reichstag mit ihrer Fraktion (und der KPD) dagegen stimmen - der Bau wurde mit den Stimmen aller Mittel- und Rechtsparteien von der DDP bis zur NSDAP beschlossen. Hinzu kamen immer heftigere Angriffe der Kommunisten: Seit 1928 versuchte die KPD zum einen, den ADGB durch eine "Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" zu spalten; zum anderen beschimpfte sie die in Preußen und im Reich regierenden Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" (ein von Stalin schon 1924 geprägter Kampfbegriff): Als "gemäßigter Flügel des Faschismus" unterdrücke die SPD im Bunde mit dem Bürgertum die Arbeiter. Daher müsse die KPD sie als "Hauptfeind" bekämpfen. Vor diesem Hintergrund gerieten die Sozialdemokraten, insbesondere ihre Regierungsvertreter, unter einen Rechtfertigungs- und Erfolgszwang; in erster Linie mussten sie die sozialpolitischen Interessen der Arbeitnehmer wirkungsvoll vertreten.
·Demgegenüber war die DVP vorrangig den Interessen der Großindustrie verpflichtet - zum Leidwesen ihres Vorsitzenden Gustav Stresemann, der den sozialen Ausgleich für wichtig hielt. Nur mit großer Mühe war es ihm gelungen, die Widerstände in seiner Partei gegen eine Koalition mit der SPD zu überwinden, zumal der Stimmenanteil der DVP zwischen 1920 und 1928 von 13,9 auf 8,7 Prozent zurückgegangen war. Als Stresemann, seit langem überarbeitet und gesundheitlich angeschlagen, am 3. Oktober 1929 im Alter von nur 51 Jahren starb und Anfang Dezember der industrienahe Ernst Scholz an die Spitze der Partei rückte, verschärfte sich sogleich der wirtschafts- und sozialpolitische Streit im Kabinett.
·Auch im Zentrum hatte in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre ein Rechtstrend eingesetzt, durch den der SPD-freundliche Arbeitnehmerflügel ins Hintertreffen geriet. Ihren sichtbaren Ausdruck fand diese Entwicklung, als sich bei der Neuwahl des Parteivorsitzenden im Dezember 1928 der konservative Prälat Ludwig Kaas gegen den christlichen Gewerkschafter Adam Stegerwald durchsetzen konnte.
·Unauffälliger verlief das allmähliche Abdriften der DDP nach rechts, mit dem die Partei unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Erich Koch-Weser auf ihren schleichenden Niedergang reagierte: Zwischen 1919 und 1928 ging ihr Stimmenanteil von 18,5 Prozent auf 4,9 Prozent zurück. Das Ausmaß der Rechtsentwicklung auch in der DDP wurde erst 1930 voll erkennbar.


Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
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