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1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Deutsche Revolution
 

Vertagung der Sozialisierung
In Anbetracht der schwierigen Umstände wurden diese Probleme erstaunlich gut gemeistert. Dies war allerdings nur mit einem Heer qualifizierter Fachleute möglich, über das MSPD und USPD nicht selbst verfügten. Die Volksbeauftragten waren daher auf die wilhelminischen Unternehmer und Großagrarier, Offiziere, Regierungs- und Verwaltungsbeamten, Richter, Staatsanwälte und Polizisten angewiesen. Um aber Republikanisierung und Demokratisierung dauerhaft abzusichern, wäre es erforderlich gewesen, dieselben monarchistischen Eliten, denen man wirtschaftliche Ausbeutung, politische Unterdrückung und die Weltkriegskatastrophe vorwarf, zu enteignen bzw. aus Führungspositionen zu entfernen.
In diesem Dilemma gaben die regierenden Sozialdemokraten dem erstgenannten Aufgabenbereich den Vorrang, zumal die Frage der Überführung von Schlüsselindustrien (Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, Energiewirtschaft) in Formen von Gemeineigentum ("Sozialisierung") zwischen ihnen umstritten war. Die MSPD-Volksbeauftragten sahen sich in erster Linie als "Konkursverwalter" (Ebert) des Kaiserreiches; verfassungsrechtliche Entscheidungen - Rätesystem oder parlamentarische Demokratie, Privatwirtschaft oder Sozialisierung - durften nach ihrer demokratischen Überzeugung nicht durch spontan gebildete Arbeiter- und Soldatenräte, sondern nur durch eine vom Volk gewählte Nationalversammlung getroffen werden: "Die ganze Macht dem ganzen Volk!" - diese Formel setzte der Leitartikel des "Vorwärts" vom 14. November 1918 der linksradikalen Parole "Alle Macht den Räten!" entgegen. Sozialisierungen hielt man zudem erst nach der Bewältigung der wirtschaftlichen Kriegsfolgen für sinnvoll. Demgegenüber drängten die USPD-Volksbeauftragten auf eine schnelle Sozialisierung; eine Nationalversammlung sollte nach ihren Vorstellungen erst später gewählt und auf noch zu klärende Weise mit dem Rätesystem verbunden werden. Beide Linksparteien waren sich jedoch einig, über die Frage der Nationalversammlung möglichst bald einen Beschluss durch einen Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte herbeizuführen.

Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
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