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1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
2. Weltkrieg
 

Widerstand gegen Hitler
Mit der militärischen Niederlage begann auch der „Führer“-Mythos zu bröckeln und damit die entscheidende Machtgrundlage des Regimes. Somit bestand erstmals wieder eine geringe Chance, der nationalsozialistischen Führung im Inneren Widerstand entgegenzusetzen, und dafür eine politische Unterstützung zu bekommen. Denn anders als in Italien, wo die traditionellen Machteliten den Diktator von innen durch eine Entscheidung des „faschistischen Großrates“ absetzen konnten, waren in Deutschland alle verfassungsmäßigen Ansatzpunkte für eine Opposition beseitigt. Die Wehrmacht war in die Massenvernichtung verstrickt. In Deutschland blieb darum nur der Weg über einen Staatsstreich, um die Politikfähigkeit und Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und angesichts der drohenden militärischen Niederlage noch zu einem Waffenstillstand zu kommen. Die Zerstörung jeder verfassungsmäßigen Möglichkeit zur Opposition und die weitgehende Atomisierung der Gesellschaft führten dazu, daß Widerstand nur noch von Gruppen im Militär und einigen Bürokratien vorbereitet und durchgeführt werden konnte.
Sie waren zum Teil von den Nationalsozialisten noch nicht unterwandert und verfügten, oft noch verwandtschaftlich und durch eine gemeinsame Ausbildung miteinander verbunden, über die nötige Vertrauensgrundlage, um einen Staatsstreich gegen Hitler vorzubereiten. Ihre sozial-moralischen Wertvorstellungen beförderten nicht nur die Einsicht in den zutiefst unmoralischen Charakter der nationalsozialistischen Herrschaft, sondern gab ihnen einen gewissen moralischen Schutz vor der Sorge, als Verräter an deutschen Interessen gelten zu müssen.
Erst in einem mühsamen politisch-intellektuellen Prozeß, der auch vom Verlauf des Krieges vorangetrieben wurde, konnten sich die Gruppen des militärischen und zivilen Widerstandes von den eigenen Denktraditionen, die sie zunächst an das NS-Regime gebunden hatten, befreien. Diese Denktraditionen bestanden vor allem in der Orientierung an einer deutschen Großmachtstellung sowie in einer festen Bindung an Gehorsamsregeln. Dazu kam eine Staatsgläubigkeit, die erst dann nicht mehr wirksam war, als die Widerständler vom Unrechtscharakter des NS-Regimes überzeugt waren, der sie von allen Loyalitätsverpflichtungen entband und ihren Entschluß zum Widerstand rechtfertigte.
Gleichzeitig drängte die militärische Entwicklung zum Handeln. Sollte Deutschland in seiner staatlichen Integrität gerettet werden, mußte - so die Überlegung der Verschwörer - möglichst noch vor einer alliierten Invasion gehandelt werden. Deren Erfolg würde die totale Niederlage immer wahrscheinlicher und eine Rettung des deutschen Nationalstaates angesichts der alliierten Forderung nach bedingungsloser Kapitulation immer schwieriger machen. Als eine solche Lösung zunehmend unwahrscheinlicher wurde, ging es am Ende nur noch um ein moralisches Handeln, um „vor der Welt und vor der Geschichte“ zu belegen, daß man „den entscheidenden Wurf gewagt hat“, wie es Henning von Tresckow (1901-1944), einer der führenden Köpfe des militärischen Widerstandes und der Bewegung des 20. Juli 1944, formulierte.
Die Verschwörung des 20. Juli 1944 war darum ein „Aufstand des Gewissens“, der kaum auf die Massenunterstützung einer Gesellschaft hoffen konnte. Der gescheiterte Widerstand gegen Hitler offenbarte nicht nur die politische Isolierung der Opposition, sondern auch den totalitären Charakter des Systems, das nicht nur durch die Ausschaltung von Hitler, sondern nur durch die gleichzeitige Ausschaltung des Partei-, des SS-Apparates und der Propagandaeinrichtungen hätte überwunden werden können. (Vgl. Informationen Nr. 243 „Deutscher Widerstand“.)


Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
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