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Deutsche Geschichten


Stalingrad
Für Deutschland war der Krieg längst verloren, als die Schlacht an Don und Wolga begann. Beide Diktatoren trieben Hunderttausende in den sinnlosen Tod...

Die Schlacht

war das äußere Zeichen der Wende: Von nun an ging es sichtbar abwärts mit Hitlers Krieg.
Das blutige Ringen im Raum von Don und Wolga aber, es hat eine Vorgeschichte. Dem zynischen Taktieren von zwei hochkarätigen Verbrechern mussten Millionen Menschen ihr Leben opfern:
Im Grunde hatte Deutschland diesen Krieg längst verloren. Das Kalkül, in strategische Überdehnung mündend, war nicht aufgegangen. Doch von Einsicht und Umkehr keine Spur. So stieß im Sommer 1942 die Wehrmacht in den Süden Russlands vor. Als der Gegenschlag losbrach, war er nur das Resultat einer schon lange verschobenen Kräfte- Balance.

Schlaglicht
Stalingrad
Im Sommer 1942 waren die deutschen Armeen im Süden der Ostfront erneut zu einem Großangriff angetreten, um jetzt- nach der Niederlage im Winterkrieg vor Moskau 1941/42 - doch noch die Sowjetunion niederzuwerfen. Zwei Ziele sollten mit diesem Vormarsch erreicht werden: die Eroberung der Stadt Stalingrad, des Rüstungs- und Verkehrszentrums an der Wolga, und die Inbesitznahme der Ölfelder im Raum Baku im Kaukasus...

Drama an der Wolga

Wie kam es, dass Hitler sich zum großen Vabanque-Spiel entschloss? Was plante der Sowjet-Diktator, als er seine Armeen an die Westgrenze des Imperiums befahl? Und warum wurde Stalingrad zum Objekt von purer Diktatoren- Eitelkeit?

Überraschung im Osten

Der Krieg gegen die Sowjetunion war Hitlers ureigener Krieg! Endlich konnte der "Führer"; gegen jenen Gegner kämpfen, den er als Inbegriff des Bösen sah: Lenins und Stalins Bolschewismus galt den Faschisten aller Nationen Europas ja als die große Gefahr für das Abendland. Also auf nach Osten, um den Hort des Übels auszumerzen...

Hinzu kam der Aspekt des Rassenkampfes. Das hört sich klar und eindeutig an, die tatsächliche Geschichte aber steckt voll tückischer Details.

Spiel mit doppeltem Boden

Adolf Hitler und Josef Stalin, die beiden ungleichen Diktatoren-Brüder, trieben lange Zeit ein Spiel mit doppeltem Boden: Nazi- Deutschland und die Sowjetunion waren vor Ausbruch dieses Krieges strategische Alliierte. Im Nichtangriffspakt, den Ribbentrop und Molotow am 23. August 1939 in Moskau unterzeichneten, wurde mehr vereinbart, als bloßer Verzicht auf militärische Feindseligkeit.

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Rohstoffe gegen Waffen

Ein Geheimprotokoll wies die Richtung zur gemeinsamen Herrschaft über den Kontinent. In der Aufteilung Polens, des Baltikums und Südosteuropas in Interessensphären sahen Hitler und Stalin nur den ersten Schritt. Überdies hatte die ganz unideologische Kumpanei kurzfristige praktische Folgen:
Schnell und zuverlässig lieferte Russland seinem deutschen Partner militärisch wichtige Rohstoffe, ohne die das Reich den seit Mai 1940 intensiver werdenden Krieg gegen England und Frankreich nicht lange hätte führen können. Deutschland revanchierte sich mit Rüstungsgütern.
Es war von beiden Seiten ein taktisches Bündnis, doch im Zeichen größter Herzlichkeit geschlossen: Trinksprüche wurden im Kreml ausgebracht, auf den "Führer" und auf Stalin, den "Woschd".
Ob beide Diktatoren unter der Hand schon den Angriff auf-
einander planten, über die Antwort auf diese Frage debattieren Historiker heftig. Was Hitler betrifft, sprechen die Fakten eine unmissver-
ständliche Sprache: Ab dem 31. Juli 1940 war der Angriff beschlossen. Am 18. Dezember unterschrieb Hitler die Weisung "Barbarossa".
Doch das Bild, das die

Stalingrad
Stalingrad
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Geschichte bietet, deutet auf zwei Gangster, die sich lächelnd, aber hochgerüstet, gegenüber stehen. Längst lief die sowjetische Kriegsmaschinerie auf Touren. Zahlenmäßig war sie dem deutschen Gegner überlegen: nicht nur an Menschen, auch an Material.

Hartnäckige Legende

Märchen von der technisch unvorbereiteten Roten Armee vor dem Krieg halten sich bis in die Gegenwart. Plausibel gemacht haben das die katastrophalen sowjetischen Niederlagen am Anfang des Konflikts. Denn als deutsche Verbände am Morgen des 22. Juni 1941 über die Grenze marschierten, schienen sie leichtes Spiel zu haben.

Karten für Westdeutschland

Reihenweise wurden sowjetische Flugzeuge am Boden zerstört, ihre Basen lagen oft dicht hinter der Front. Treibstofflager - auch sie dicht hinter den vordersten Linien - gerieten unter das Feuer deutscher Geschütze.
An starken Verteidigungsanlagen mangelte es, statt dessen standen mit Material und Truppen vollgestopfte Züge abfahrbereit. Karten gab es sogar für Westdeutschland, für das aktuelle Schlachtfeld fehlten sie bitter.

Kriegsgeschichtler, darunter der Historiker Werner Maser, ziehen den Schluss, die Wehrmacht sei 1941 in die Angriffsaufstellung der Roten Armee gestoßen. Dieser Ansatz ist umstritten, scheint er doch den kriminellen Charakter des Russland-Feldzugs zu relativieren. Doch ein Verbrecher bleibt ein Verbrecher, auch wenn er auf einen anderen Verbrecher trifft!

Dass die Ausrottung ganzer Völker im Osten zu Hitlers Zielen gehörte, daran ändern die Pläne Stalins nichts. Allerdings lassen sie das Mysterium des Russland-Feldzugs, seinen weiteren Verlauf, durchsichtiger werden.
Den Angreifern aus dem Westen stand tatsächlich mehr gegenüber, als die Weite des Raumes. Auf 15.000 schätzte der deutsche General Halder, reichlich überrascht, am 3. Juli die Zahl der russischen Panzer. Noch glaubte er den Krieg dennoch gewonnen. Auf Dauer aber musste die Überlegenheit der russischen Seite zur Wirkung kommen.
Vor Moskau, im Winter 1941/42, blieben die Angreifer stecken, Leningrad hielt stand, die Wolga blieb in weiter Ferne.
Lange Fronten, schlecht gesichert gegen Durchbrüche, hatten sie zu besetzen. Hitler, zur Bildung von Schwerpunkten gezwungen, verlagerte den Angriff im Frühjahr 1942 nach Süden: Von zwei Offensiven, eine zum Kaukasus und eine über den Don Richtung Wolga, erhoffte er sich den Sieg.

Zeitzeuge
Russischer Winter

Als der Sommer vorüber war, stand man im Steppenland jenseits des Don. Rasch sollte der Weg zum Erdöl von Baku aufgetan werden. Hitlers Werkzeug war die 6. Armee. Das alte Zarizyn, nun Stalingrad, die Stadt mit dem Namen des russischen Führers, lag in Reichweite dieses schlagkräftigen Verbands.

Drama an der Wolga

Mit der 6. Armee könne er den Himmel stürmen, hatte Hitler einst gesagt. Was wohl als Kompliment gedacht war für diese Elite- Formation der Wehrmacht, wandelte sich im Spätsommer 1942 zum Zeichen immer krasser werdenden Größenwahns. Die Hybris begleitete intellektueller Verfall: Überschätzen der eigenen Möglichkeiten, verschlossene Augen gegenüber der wachsenden Stärke des Gegners. Weil die Generale zunehmend zweifelten, übernahm der "Führer" persönlich das Kommando über jene Heeresgruppe, die den Angriff durch Südrussland zur Wolga trug.

Militärisch ohne Sinn

Bald darauf hatten immer größere Teile der 6. Armee Stalingrad erreicht. Zwar war der Verkehr auf der Wolga längst an anderer Stelle unterbrochen, dennoch: Die aus der Luft fast zerstörte und militärisch beinahe bedeutungslose Stadt musste fallen. Sie war Prestigeobjekt, stand für die bolschewistische Idee schlechthin - zumal Stalin ihre Verteidigung bis zum Äußersten befahl.

Schlag im Schneesturm

Also Angriff, blutiger Kampf um Ruinen, wenn auch die Verluste der deutschen Verbände zeitweilig bis auf drei Viertel ihrer Sollstärke stiegen. Generaloberst Paulus´ Armee bohrte sich in die Trümmerlandschaft hinein, eroberte schließlich, im Laufe des Oktober, ihr Zentrum. Dann aber blieb alles stecken.
Am 19. November 1942 wütete ein Schneesturm. Gedeckt durch das Toben der Elemente traten zwei sowjetische Heeres- Gruppen zur sorgsam vorbereiteten Gegenoffensive an.
Nachdem mit Hitlerdeutschland verbündete schwache rumänische Verbände an den Flanken überrannt worden waren, nahmen die Sowjets rund 280.000 Wehrmachtsoldaten zwischen Wolga und Don in die Zange. Die 6. Armee saß im Kessel.

"Ich bleibe an der Wolga," hieß die bündige Antwort Hitlers auf alle Bitten des deutschen Armeebefehlshabers um Erlaubnis für Ausbruch und Rückzug. Der "Führer" sonnte sich in dem makabren Gefühl, Regie in einem Heldendrama zu führen, erwähnte den Tod der Nibelungen an König Etzels Hof. Ende Januar 1943 - die Lage der Eingeschlossenen war inzwischen aussichtslos - erging das Verbot jedes Gedankens an Kapitulation: "Die Armee hält ihre Position bis zum letzten Soldaten und zur letzten Patrone..." Hilfe aus der Luft blieb schwach und kam zu spät.
Den wenigen der verbliebenen ungefähr Hunderttausend Deutschen in Stalingrad, die

Stalingrad
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am 30. Januar noch per Funk die deutschen Sender hörten, bot sich an diesem Tag eine seltene Gelegenheit. Sie konnten ihren eigenen Untergang medial mitverfolgen:
"Kommst du nach Deutschland, so berichte, du habest uns in Stalingrad liegen sehen, wie das Gesetz der Ehre und Kriegführung es für Deutschland befohlen hat," tönte Göring. "Vorzeitige Leichenreden unerwünscht," funkte man aus dem Kessel zurück.
Der Rest ist schnell erzählt: Paulus, von Hitler kurz vor dem Ende befördert, setzte sich nicht den Revolver an die Schläfe, sondern kapitulierte, sehr zur Empörung des "Führers", am 31. Januar. Mit seinen Stabsoffizieren in eine komfortable Villa verfrachtet, erwies sich der Ex-Armeechef als höchst kooperativ. Zu Paulus´ Sorgen gehörte, über den deutschen Botschafter in der neutralen Türkei rasch die Abzeichen eines Generalfeldmarschalls zu beschaffen. Sie standen ihm immerhin zu.

Erfroren, zerfetzt, verhungert

Anders erging es den rund 91.000 deutschen Soldaten, die in Gefangenschaft gerieten:

Lediglich 6.000 von ihnen kehrten bis 1956 in die Heimat zurück. Schwerer zu zählen sind die direkten Opfer der Stalingrader Schlacht: Nimmt man das übliche Verhältnis von eins zu fünf zwischen deutschen und sowjetischen Verlusten als Basis, dürften etwa 600.000 Menschen um und in Stalingrad erfroren, von Geschossen zerfetzt oder verhungert sein.
Das Drama, welches Hitler inszenieren wollte, hat es also gegeben. Zynisch war das Kalkül von beiden Seiten: Zwar verteidigte der russische Soldat sein undankbares Vaterland, doch den sowjetischen Befehlshabern galten Menschenleben nichts. Stalin sah "seine" Stadt als Opferstätte, nutzte den Sieg zur Zementierung der Diktatur.

In Deutschland diente der Mythos Stalingrad den Naziführern, die dem längst verlorenen Krieg frisches Blut zuführen wollten. Goebbels Parole vom "totalen Krieg" geriet zum gelungenen Propaganda-Coup. Und Hitler setzte zwei Jahre später, ohne Stilbruch, seinen eigenen Untergang in Szene - dem verkitschten Libretto einer Wagneroper nachempfunden.