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Deutsche Geschichten


Vom Schwarzmarkt zur Währungsreform
In den ersten Nachkriegsjahren war die Versorgungslage der deutschen Bevölkerung äußerst angespannt.

Die Nationalsozialisten hatten den Krieg mit Hilfe der Noten-
presse finanziert. Die Folgen der inflationären Geldvermeh-
rung seit 1936 konnten verschleiert werden durch Preis- und Lohnstop, durch Zwangssparen und durch die Rationierung der Konsumgüter bis zum Ende des Krieges. Um so härter wirkte sich aber der 1945 sichtbar werdende Ruin der deutschen Währung aus: Den 300 Milliarden Reichs-
mark, die sich nach Kriegsende in Umlauf befanden, stand kaum ein Warenangebot gegenüber.

Schwarzer Markt

Das staatliche Bewirtschaf-
tungssystem des Dritten Reiches, das von den Alliierten beibehalten wurde, zerbröckel-
te am "Schwarzen Markt". Angesichts der relativen Wertlosigkeit von Geld und Lebensmittelkarten sah sich der "Normalverbraucher" auf Schwarzhändler und Schieber angewiesen, da er auf dem offiziellen Markt des Rationie-
rungssystems das Lebensnot-
wendige nicht erhielt. Deutschland war ein Land mit drei Währungen geworden:
Staatliche Gehälter und Steuern wurden in Reichsmark gezahlt. Seit August 1946 gab es für den Verkehr zwischen alliierten und deutschen Stellen von den Siegermächten

gedrucktes Besatzungsgeld, das nicht in Reichsmark umgewechselt werden konnte. Wichtigstes Zahlungsmittel waren aber Zigaretten, für die man auf dem Schwarzen Markt fast alles erhalten konnte.
Deutschland war damit in den archaischen Zustand der Naturalwirtschaft zurückge-
fallen: Waren konnten nur gegen Waren getauscht werden. Arbeiter waren oft nur drei Tage in der Woche in der Fabrik. An den übrigen Tagen tauschten sie ihren Lohn, der ebenfalls zum Teil aus Waren bestand, gegen Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs ein. "Der größte Teil der Schwarzmarktgeschäfte besteht aus Tauschhandel von Waren aus zweiter Hand, ange-
fangen von alten kostbaren Pelzmänteln bis zu Kochtöpfen und abgelegten Schuhen und Galoschen, gegen Zigaretten, Schokolade, Kartoffeln oder Mehl. In den großen Städten besonders im Westen sind organisierte Tauschmärkte Tag und Nacht geschäftig, auf denen einfach alles gehandelt werden kann, mit Einschluss von Eisenbahnfahrkarten für Fernzüge (für die man Spezialerlaubnis braucht), interzonalen Pässen oder anderen gefälschten Papieren, die zur Erlangung amtlicher Vorteile nützlich sein könnten. Die Menschenmenge in diesen verwüsteten Städten ist ewig auf der Wanderschaft."

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Politische Bildung
Gesellschaftsprobleme
Die Gesellschaft der Nach- kriegszeit war nicht nur durch den Verlust von Werten charakterisiert, am Ende des zweiten Weltkriegs befanden sich auch mehr als acht Millionen Deutsche als Kriegsgefangene im Gewahrsam der Siegermächte.

Chronologie
Chronologie 1945-1949

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Brotverteilung

Vom Schwarzmarkt zur Währungsreform
Vom Schwarzmarkt zur Währungsreform
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Der 1933 in die USA emigrierte Publizist und Wirtschaftsfachmann Gustav Stolper hatte nach einer Deutschlandreise im Frühjahr 1947 diese Beobachtungen und Erfahrungen unter dem Titel "German Realities" der amerikanischen Öffentlichkeit vorgelegt.

Grauer Markt

Außer dem Schwarzen Markt gab es, mit Duldung der Besatzungsmächte, den "Grauen Markt" der Kompensationsgeschäfte, ohne den die bescheidene Nachkriegsindustrie nicht funktionierte. Um Rohstoffe für die Produktion oder Material für dringend nötige Reparaturen zu bekommen, wurde ein Teil der produzierten Waren am Bewirtschaftungssystem vorbei umgesetzt und eingetauscht. Am leitenden Personal eines Spinnfaser-Betriebs in Kassel sollte im Frühjahr 1947 ein Exempel statuiert werden. Hausdurchsuchungen bei leitenden Angestellten brachten Textilien (49 Damen-Hüftgürtel, 31 Büstenhalter, einige hundert Meter Stoff) zutage, die als Beweisstücke sichergestellt wurden. 112 Meter Stoff (die der Betrieb gegen Spinnfasern erworben hatte) waren gegen 85 Glühbirnen ausgetauscht worden, die für die Aufrechterhaltung der Produktion benötigt worden waren. Das Gerichtsverfahren, das als Korruptions- und Schiebertribunal aufgezogen wurde, entwik-
kelte sich tatsächlich zu einem in allen vier Besatzungszonen aufmerksam beobachteten Musterprozess, bei dem es um Quoten, Ablieferungssoll, Kontrollen, Behördenmaß-
nahmen und Strafandrohungen ging.
Sachverständige hatten zu Protokoll gegeben, dass ohne Kompensationsgeschäfte, bei denen Waren gegen Rohstoffe oder andere Waren getauscht wurden, nichts funktioniere, dass das Spinnfaser-Management tatsächlich zum Wohle des Betriebs und der Belegschaft gehandelt habe und dass alle Industriebetriebe in ganz Deutschland so handeln müssten, um zu überleben: "Kompensationen sind das Ventil, ohne das die Mehrzahl der Produktionsbetriebe die beiden letzten Jahre nicht überdauert hätte", schrieb der Berliner Tagesspiegel.
Das Gericht bemühte sich - bei milden Strafen - um ein salomonisches Urteil, in dem der Versuch unternommen wurde, die Grenzen zwischen erlaubten und verbotenen Kompen-
sationsgeschäften zu definieren. Die Situation der deutschen Wirtschaft zur Zeit des Grauen Marktes kam dadurch zum Ausdruck, dass die amerikanische Besatzungsmacht in solch einem Prozess - in Einklang mit den drei ande-
ren Alliierten - mit Hilfe deutscher Gerichte und Behörden zu klären versuchte, ob die Kompensationswirtschaft unterbunden werden müsse oder toleriert werden dürfe. Eigenartig war auch, dass die Rechtsgrundlage des Musterprozesses die nationalsozialistische Kriegswirtschaftsverordnung von 1939 war.

Politische Bildung
Bizone als Vorläuferin des Weststaats
Am vorletzten Tag der Pariser Konferenz, dem 11. Juli 1946, lud Byrnes die drei anderen Be-satzungsmächte ein, ihre Zonen mit der ame- rikanischen wirtschaftlich zu verschmelzen.

Entwicklung in der SBZ

Die sowjetische Besatzungszone (SBZ) nahm frühzeitig eine Entwicklung, die sich von den Westzonen unterschied.

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Nachkriegszeit: Mobilisierung
der FDJ für den Aufbau!


Das begann mit der Reparationspolitik der sowjetischen Besatzungsmacht, die unmittelbar nach Kriegsende mit Beutezügen und Demontagen einsetzte. Allein in Sachsen wurden bis Mitte 1948 etwa 1000 Betriebe demontiert und dabei 250 000 Maschinen abtransportiert. Bis März 1947 waren in der Ostzone 11 800 Kilometer Schienen abgebaut worden. Das Eisenbahnsystem verlor mit entsprechenden Wirkungen auf die Transportleistung fast überall das zweite Gleis. Auch die Entnahmen aus der laufenden Produktion waren ungleich höher als in den Westzonen. Lieferungen aus der Ostzone im Wert von sieben Milliarden US-Dollar während der ganzen Besatzungszeit standen lediglich 0,13 Milliarden aus den drei Westzonen gegenüber. Der Wert der Demontagen belief sich im Osten auf 2,6 Milliarden Dollar, im Westen auf 0,6 Milliarden.

Politische Bildung
Demontagen und Reparationen
In der sowjetischen Zone wurden nicht nur, unmittelbar nach Kriegsende beginnend, Fabrikanlagen, Eisenbahngleise, Transport-einrichtungen demontiert und abtransportiert...

Auch auf anderen Gebieten wurden in der SBZ die Weichen frühzeitig anders gestellt als im Westen. Die sowjetische Besatzungsmacht entwickelte auf ihrem Territorium neue soziale und politische Strukturen und wollte eine "neue Gesellschaft" formieren. Das hieß zunächst "antifaschistisch-demokratische Umwälzung" und zielte auf eine "Revolution der gesell-
schaftlichen und politischen Zustände", ein Prozess, der schließlich als "Transformation" in die Stalinisierung am Ende der Besatzungszeit mündete.

Die Sowjetische Militäradministration war die treibende Kraft dieser Entwicklung, forcierte die Veränderungen und schrieb deren Ergebnisse fest. So wurde im öffentlichen Dienst schon 1945 das Berufsbeamtentum abgeschafft. In der Justizreform von 1946 wurden mehr als 85 Prozent der Richter und Staatsanwälte im Zuge der Entnazifizierung entlassen und durch im Schnellverfahren ausgebildete "Volksrichter" unter ideologischer Dominanz der KPD ersetzt. Gleichzeitig wurde der gesamte Justizapparat zentralisiert. Der KPD wurde auch beherrschender Einfluss in den im Juli 1945 von der sowjetischen Militärregierung gebildeten Zentral-
verwaltungen (für Volksbildung, Finanzen, Arbeit und Sozialfürsorge sowie für Landwirtschaft) zugestanden. Damit waren frühzeitig Bastionen besetzt, die beim Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend waren. Als erstes wurde ab September 1945 unter der Devise "Junkerland in Bauernhand" Großgrundbesitz enteignet. Die Bodenreform umfasste 35 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der SBZ; in den neu gebildeten "Bodenfonds" kamen 2,5 Millionen Hektar Land von 7000 Großgrundbesitzern sowie 600 000 Hektar aus

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dem Besitz ehemaliger NS-Führer und aus Staatsbesitz.
Die Maßnahme fand grundsätzlich den Beifall aller Parteien, allerdings wollte die Ost-CDU keine Enteignung ohne Entschädigung. Darüber kam es zur Parteikrise, in der die Vorsitzenden Andreas Hermes und Walther Schreiber von der Sowjetischen Militär-
administration im Dezember 1945 abgesetzt wurden. Ohne die Reformen als kommunistisch oder sozialistisch zu bezeichnen - offen deklarierter "sozialistischer Aufbau" erschien auch der KPD und den Sowjets noch nicht möglich -, wurde die Notwendigkeit einer Planwirtschaft festgestellt und damit die künftige Staatswirtschaft vorbereitet.
Die Industriereform, eingeleitet im Oktober 1945, war ein weiterer Schritt in diese Richtung, bei der das Eigentum von Staat, Wehrmacht, NSDAP und "Kriegsverbrechern" beschlagnahmt wurde. In Sachsen wurde am 30. Juni 1946 ein Volksbegehren "zur Enteignung der Kriegsverbrecher und Nazis" angesetzt, bei dem sich 67,6 Prozent der Befragten für die Enteignung aussprachen und damit den Weg zur Verstaatlichung der Schwer- und Schlüsselindustrie freimachten. In der ganzen übrigen Sowjetzone machte - ohne Plebiszit - das sächsische Modell Schule. Schon zu Beginn der Besatzung wurden mit diesen Maßnahmen in der sowjetischen Zone entscheidende Veränderungen eingeleitet, durch die sich die Ostzone zunehmend von den Westzonen unterschied.

Politische Bildung
Moskauer Außenministerkonferenz
Das offenkundige Unvermögen der Groß-mächte, sich über die deutsche Frage zu einigen, zeigte sich bei der Außenminister-konferenz in Moskau im Frühjahr 1947.

Politische Bildung
Münchener Ministerpräsidentenkonferenz
Der Zusammenschluss der beiden Zonen zum "Vereinigten Wirtschaftsgebiet" (so der offizielle Name des Gebildes) vertiefte die Kluft zu den beiden anderen Besatzungszonen.

Ost-West-Konflikt und deutsche Teilung

Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung zurückzugeben.

Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedlichen Nationen der Welt." Mit diesen Worten schloss der amerikanische Außen-
minister James F. Byrnes eine Rede, die er am 6. September 1946 in Stuttgart hielt.

Biographie
James F. Byrnes

An ihr war vieles ungewöhnlich. Das begann damit, dass zu dieser Veranstaltung im Großen Haus des Württembergischen Staatstheaters auch deutsche Politiker eingeladen waren. Zwar waren die meisten Anwesenden Amerikaner-Offiziere der Besatzungsmacht, Funktionäre der Militärregierung, Diplomaten und sogar zwei Senatoren aus Washington. Aber in der vordersten Reihe waren die Ministerpräsidenten der Länder der amerikanischen Zone, Reinhold Maier (Württemberg-Baden), Wilhelm Hoegner (Bayern) und Karl Geiler (Hessen), platziert worden, dazu - mit einigem Abstand - deutsche Minister, Abgeordnete und Ober-
bürgermeister. Noch erstaunlicher war der entgegenkommende Tonfall dieser ersten Rede eines Außenministers der Besatzungs-
mächte in Deutschland nach der Kapitulation. Die Schlusssätze aber machten die Ansprache zu einer Sensation.

Wende im amerikanisch-deutschen Verhältnis

Die Rede weckte Hoffnungen. Sie wurde als Abkehr von der bisherigen Besatzungspolitik verstanden und als Zeichen eines Neubeginns. Zwar änderte sich an der Besatzungspolitik, wie sie von den Alliierten schon vor Kriegs-
ende vereinbart worden war, im Grundsatz nichts. Die Stuttgarter Rede war insofern keine Zäsur. Aber sie markierte vor der Weltöffent-
lichkeit eine Wende im Verhältnis der Amerikaner zu den Deutschen. Diese hatte, für die meisten nicht wahrnehmbar, schon einige Monate vorher eingesetzt. Wenige Wochen nach dem Stuttgarter Auftritt des amerikani-
schen Außenministers, am 22. Oktober 1946, betonte sein britischer Kollege Ernest Bevin vor dem Unterhaus des Parlaments die "fast völlige Übereinstimmung" Londons mit dem Inhalt der Rede.
Im ersten Besatzungsjahr hatten die westlichen Alliierten großen Wert darauf gelegt, die Deutschen spüren zu lassen, dass mit der Besatzung weitreichende Absichten verbunden waren: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Bestrafung der Schuldigen

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am Weltkrieg und an den Greueltaten des NS-Regimes, Wiedergutmachung der von Deutsch-
land verursachten Schäden und Demokratisie-
rung durch "Umerziehung". Die US-Truppen beispielsweise hatten Weisung, "gerecht, aber fest und unnahbar" zu sein. Verbrüderung mit Deutschen (darunter fiel schon Händeschüt-
teln) war verboten.

In Amerika hatten kirchliche und karitative Organisationen sowie Privatleute freilich schon vor der offiziellen Trendwende begonnen, "Care-Pakete", gefüllt mit Gebrauchs- und Nahrungsmitteln des täglichen Bedarfs, in das notleidende Nachkriegsdeutschland zu senden.

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Brotverteilung

Die Amerikaner erweckten wegen ihres Reich-
tums, ihrer Prinzipientreue, ihrer Generosität und Naivität bald die Bewunderung und Sympathie der Deutschen, die Briten und Franzosen traten dagegen eher wie Kolonial-
truppen auf. Politisch allerdings gaben die Amerikaner, schon wegen ihrer wirtschaftli-
chen Potenz, im Westen den Ton an. Die Rote Armee hatte bei der deutschen Bevölkerung den schlechtesten Ruf und war besonders wegen der Willkür ihrer Besatzungsherrschaft gefürchtet.

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Rosinenbomber

Marshall-Plan

Zum außenpolitischen Konzept Amerikas, das nun eindeutig auf Europa zentriert war, gehörte der im Juni 1947 vom neuen amerikanischen Außenminister George C. Marshall entwickelte Plan eines großzügigen wirtschaftlichen Hilfsprogramms (European Recovery Program - ERP), das auch der Sow-
jetunion und den Staaten des Ostblocks offeriert wurde.

Biographie
George C. Marshall

Moskau lehnte - nicht unerwartet - Anfang Juli 1947 auf der Pariser Marshall-Plan-Konferenz die ERP-Hilfe ab und verbot auch den Ländern seines Einflussgebiets (einschließlich der

Tschechoslowakei) die Annahme. Andererseits ordnete sich jetzt Frankreich, das dringend auf die amerikanische Hilfe angewiesen war, in die westliche Phalanx ein und ließ die Bereitschaft zu einer konstruktiveren Deutschlandpolitik erkennen. Die Hoffnungen, die in Deutschland an das fünfte Treffen der Außenminister in London (25. November bis 15. Dezember 1947) geknüpft wurden, waren unter diesen Umständen von vornherein ziemlich aussichts-
los gewesen. Die Konferenz war kaum mehr als ein Schlagabtausch, bei dem Molotow den Amerikanern und Briten vorwarf, sie wollten Deutschland mit Hilfe des Marshall-Plans wirtschaftlich versklaven und politisch spalten; die Außenminister Amerikas und Großbritan-
niens machten dagegen auf die Vorläufigkeit der Grenzen im Osten Deutschlands, insbesondere auf das Provisorium der "polnischen Verwaltung" der deutschen Ostgebiete, aufmerksam. Am Ende der ergebnislos abgebrochenen Konferenz war man gründlich zerstritten und nur darüber einer Meinung, dass die Fortsetzung der in Potsdam beschlossenen Außenminister-Konferenzen vorläufig zwecklos sei.

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Marshallplan

Wirtschaftsentwicklung von 1945 bis 1949

Kaum eine Operation der Alliierten stieß auf so viel Unverständnis und Erbitterung bei den Deutschen wie der Potsdamer Beschluss, die Industriekapazität der deutschen Wirtschaft planmäßig zu verringern. Die Demontage von Industriebetrieben sollte zum einen der ökonomischen Entmilitarisierung durch den Abbau von Schwerindustrie dienen, zum anderen waren die Fabrikationsanlagen Reparationsgüter, die den von Deutschland im Krieg geschädigten Volkswirtschaften zugute kommen sollten. In der französischen und der sowjetischen Zone wurde der Abbau von Industrie- und Verkehrsanlagen exzessiv betrieben, auch Ressourcen wie Bodenschätze und Wälder fielen den Entschädigungsansprü-
chen zum Opfer. Diese Demontagen gerieten jedoch in einen zunehmenden Widerspruch zu den Anstrengungen auf Produktivitätssteige-
rung in der amerikanischen und der britischen Zone, die den Deutschen durch den Export von Industriegütern (und Kohle) allmählich wieder die Selbstversorgung ermöglichen sollten. In langwierigen Verhandlungen bemühte sich der Alliierte Kontrollrat, die Grenzen der künftig erlaubten Industriekapazität zu ziehen und die Quoten festzulegen, die in Zukunft produziert werden durften. Um die Stahlerzeugung wurde besonders gestritten, bis ihr Leistungsumfang auf 39 Prozent der Vorkriegsproduktion festge-
setzt wurde. Erzeugnisse der chemischen Industrie waren auf 40 Prozent, Leichtmetalle auf 54 Prozent, Werkzeugmaschinen auf elf

Vom Schwarzmarkt zur Währungsreform
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Prozent der Vorkriegsproduktion begrenzt. Das Ergebnis der Verhandlungen im Kontrollrat wurde am 26. März 1946 in Gestalt des Industrieniveau-Plans festgeschrieben. Damit war bestimmt, welchen Umfang die deutsche Nachkriegswirtschaft haben durfte und welches Ausmaß der Kapazitätsabbau zugunsten der Reparationslieferungen haben würde. Im Anschluss wurde eine Liste der zu demontie-
renden Betriebe veröffentlicht.
Als Grundsatz galt die Aufrechterhaltung eines mittleren Lebensstandards in Deutschland, der den durchschnittlichen Lebensstandard in Europa (ausgenommen Großbritannien und Sowjetunion) nicht übersteigen durfte, und nach der Zahlung der Reparationen sollte Deutschland sich selbst erhalten können. Nicht nur wegen des Selbstbedienungsverfahrens, das schon vor der Verabschiedung des Industrieplans in allen Zonen begonnen hatte und namentlich im Osten und Südwesten Deutschlands fortgesetzt wurde, war der Plan freilich bald Makulatur. Außer der Sowjetunion und Polen gab es 18 Staaten mit Reparations-
ansprüchen an Deutschland, die aus den Westzonen befriedigt wurden. Auf der Pariser Reparationskonferenz (9. November bis 21. Dezember 1945) wurden die Quoten festgelegt, die auf die einzelnen Staaten entfielen und deren Verteilung ab 1946 die Interalliierte Reparationsagentur in Brüssel vornahm.

Hilfsprogramme für Europa

Aber noch während deutsche Fabrikanlagen zerlegt und abtransportiert wurden, vollzog sich in Amerika endgültig die Wende zu einer neuen Deutschlandpolitik. In einer berühmt gewordenen Rede propagierte der ameri-
kanische Außenminister George C. Marshall im Juni 1947 vor Studenten der Harvard-Universität ein umfassendes Hilfsprogramm für Europa, das im folgenden Jahr in die Tat umgesetzt wurde.
Weniger Nächstenliebe als Einsicht in ökono-
mische Notwendigkeiten und in eine langfristi-
ge politische und wirtschaftliche Strategie hatten Amerikas Politiker zu der Hilfsaktion des European Recovery Program (ERP)- wie die offizielle Bezeichnung des Marshall-Plans lautete - bewogen. An die Stelle punktueller Unterstützungsmaßnahmen trat nun die Strategie, durch Kredite die Volkswirtschaften Westeuropas zu eigener Güterproduktion zu befähigen. Gleichzeitig wurden die Empfänger gezwungen, ihre Volkswirtschaften aufeinander abzustimmen. Damit sollten ein für allemal die Kriegsfolgen überwunden werden. Der Marshall-Plan bezweckte auch die Abwehr kommunistischer Einflüsse auf die notleidende Bevölkerung Europas durch wirtschaftliche Immunisierung; Ziel war ebenso die lang-
fristige Sicherung von Absatzmärkten für die

amerikanische Wirtschaft. Die amerikanischen Politiker erwiesen sich insofern als gute Kauf-
leute, als sie zunächst hohe Investitionen und Verluste nicht scheuten, und sie vertrauten auf die Überlegenheit des kapitalistischen Systems.

Mit Hilfe der amerikanischen Devisen konnten Rohstoffe importiert werden. Die Teilnahme am Marshall-Plan war auch - noch vor der Gründung der Bundesrepublik - der erste Schritt zur Integration Westdeutschlands in das westliche Wirtschaftssystem. Zusammen mit den schon früher gewährten Unterstützungen zur Überwindung der unmittelbaren Not flossen bis 1952, dem Ende der ERP-Ära, rund drei Milliarden Dollar nach Westdeutschland. Ohne diese Hilfe hätte das deutsche "Wirtschafts-
wunder" zum mindesten länger auf sich warten lassen. Selbst unter Berücksichtigung der amerikanischen Eigeninteressen muß man die wirtschaftliche Hilfe des Marshall-Planes sehr hoch einschätzen.

Die Einladung an Deutschland zur Teilnahme am Marshall-Plan, dem European Recovery Program (ERP), bedeutete für die Westzonen die Chance zur wirtschaftlichen Erholung. Dass sich die sowjetische Besatzungszone, ebenso wie die Tschechoslowakei, auf Druck Moskaus nicht beteiligen durfte, hatte schwerwiegende Folgen: Sie wurde aus dem Wirtschaftssystem der Westzonen endgültig ausgegrenzt.
Die Neuordnung der Währung war Voraus-
setzung der wirtschaftlichen Sanierung. Sie musste nicht nur die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Geldmenge und Volksvermögen erreichen, eine Entscheidung über das Schicksal der deutschen Währung war kaum möglich ohne eine Entscheidung über die künftige Wirtschaftsordnung. Für die wirtschaftliche und politische Einheit Deutsch-
lands musste eine Währungsreform ebenfalls Konsequenzen haben; denn eine Sanierung, die nicht gleichzeitig und gleichförmig in allen Besatzungszonen durchgeführt wurde, musste zwangsläufig die Spaltung der verschiedenen Wirtschaftsgebiete vertiefen und möglicher-
weise zu konkurrierenden Staatsgebilden führen.

Politische Bildung
Start in die Marktwirtschaft
Während in der sowjetischen Zone die Aufgabe der Zentralverwaltungswirtschaft mit staatlich gelenkten Produktionsplänen, Prei-sen und Löhnen gar nicht zur Debatte stand, bekannte sich die Bizone zur wettbewerbs-orientierten Marktwirtschaft.