Deutsche Geschichten
Nürnberger Prozesse
Nürnberger Prozesse
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dass über sie im Namen der Vereinten Nationen gerichtet werden musste. Deutsche wären nach Auffassung der Alliierten wie der Opfer nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft allein zu einem solchen Gericht nicht fähig gewesen, und in der Mehrheit waren sie deshalb für die Übernahme der Verfahren durch die internationale Justiz auch dankbar. Denn über Schuldspruch und Strafe hinaus bildeten die Prozesse den Beginn der Aufklärung über die nationalsozialistische Diktatur. Und dadurch haben die Nürnberger Verfahren - der Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärtribunal (IMT) ebenso wie die zwölf Prozesse unter amerikanischer Gerichtshoheit - auch zur Entwicklung der Demokratie und zur Wiedererrichtung des Rechtsstaats in Deutschland beigetragen.

Prozesse in den einzelnen Zonen

Auf dem Gelände des KZ Dachau tagte ein amerikanisches Militärgericht. In mehreren Prozessen standen die Verbrechen der Wachmannschaften und Kommandanten einzelner Konzentrationslager zur Anklage, die Verfahren hatten die KZ Dachau, Flossenbürg, Mauthausen und Ebensee zum Gegenstand. Wie bei den großen Prozessen in Nürnberg war nie von einer Kollektivschuld die Rede. In keinem Fall wurde pauschal geurteilt. Die individuelle Schuld eines jeden Angeklagten wurde genau untersucht, Beweise wurden sorgfältig erhoben und Zeugen gehört. Nach dem Urteilsspruch bestand Gelegenheit für Gnadengesuche und nicht alle Urteile wurden anschließend bestätigt und vollstreckt.

Am 13. Mai 1946 ging in Dachau nach 37 Verhandlungstagen ein Prozess gegen das Personal des KZ Mauthausen zu Ende, bei dem alle 61 Angeklagten für schuldig befunden, 58 zum Tode, die übrigen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt wurden. Rechtskraft erhielten die Schuldsprüche nach sorgfältiger Prüfung der Einsprüche und Gnadengesuche am 30. April 1947. In vielen Fällen waren die Strafen gemildert worden. Gegen 49 Angeklagte wurden die Todesurteile bestätigt und Ende Mai 1947 vollstreckt.

Tod durch Erhängen

In der britischen Besatzungszone führten Militärgerichte in Lüneburg Strafverfahren gegen SS-Personal von Bergen-Belsen und Auschwitz, in Hamburg stand Generalfeld-
marschall Erich von Manstein vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, bei der Kriegführung nicht auf die Zivilbevölkerung geachtet zu haben (vom Vorwurf, für Massenmorde an Juden mitverantwortlich zu sein, wurde er freige-
sprochen). Er wurde im Dezember 1949 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, die später auf zwölf Jahre herabgesetzt wurden, in Freiheit kam er jedoch schon im Mai 1953. In der sow-
jetischen Besatzungszone standen Schergen des NS-Regimes ebenso vor Gericht wie in der französischen Zone. In Straßburg musste sich der ehemalige Gauleiter Robert Wagner vor einem französischen Gericht verantworten. In Belgien, Dänemark und Luxemburg, in der Tschechoslowakei und Jugoslawien, in Nor-
wegen und in den Niederlanden wurden Deutsche zur Rechenschaft gezogen, die sich als Funktionäre des NS-Staats, als Besatzungs-

offiziere oder als SS-Schergen schuldig gemacht hatten. In Krakau wurde im März 1947 der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß zum Tode verurteilt.
Viele hatten sich durch Selbstmord, durch Flucht nach Südamerika, oder durch Unter-
tauchen der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Einigen wurde später der Prozess gemacht, wie Adolf Eichmann 1961 in Israel oder SS-Angehörigen in den sechs Frankfurter Auschwitz-Prozessen zwischen 1965 und 1981 und in anderen Verfahren wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen.

Probleme in der Rechtsprechung

Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für NS-Verbrechen regelte sich nach den Kontrollratsgesetzen Nr. 4 vom Oktober und Nr. 10 vom Dezember 1945. Danach war die Verfolgung von NS-Straftaten gegen Angehörige der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen den deutschen Gerichten generell entzogen. Zur Aburteilung von Verbrechen gegen Deutsche konnten die Besatzungsbehörden deutsche Gerichte ermächtigen. In der britischen und französischen Zone wurde diese Ermächtigung generell, in der amerikanischen fallweise erteilt. De facto waren die deutschen Gerichte damit von der Verfolgung der Mehrzahl der NS-Verbrechen bis zum Ende der Besatzungs-
zeit ausgeschlossen. Die Ausnahme bildeten Verfahren gegen die Täter der "Reichskristall-
nacht", der Novemberpogrome gegen die deutschen Juden von 1938, die seit 1946 überall in Gang kamen. Die großen Prozesse vor deutschen Gerichten begannen unver-
hältnismäßig spät. Die Belangung von Straftätern wurde durch die Regelung erschwert, dass deutsche Gerichte Fälle, die rechtskräftig von alliierten Tribunalen erledigt waren, nicht wieder aufgreifen durften. Das war als Sicherung gegen eine nachträgliche Abmilderung der Urteile gedacht gewesen; in der Praxis der Rechtsprechung gegen NS-Gewalttäter in der Bundesrepublik hatte es aber oft die Folge, dass in der Besatzungszeit Verurteilte und dann Amnestierte als Zeugen auftraten und nicht mehr belangt werden konnten, auch wenn neues Material auftauchte, das die Zeugen viel ärger belastete als die Angeklagten.

Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglieder der NSDAP gewesen. Sie bildeten den Kern von Hitlers Parteigängern und mussten, so hatten es die Alliierten noch während des Krieges beschlossen und in Potsdam 1945 bekräftigt, der politischen Säuberung in Gestalt der "Entnazifizierung" unterworfen werden. Damit wurde, noch ehe der Kontrollrat die Ausführungsbestimmungen für ein einheitliches Vorgehen in allen vier Besatzungszonen erließ, überall im Frühjahr 1945 begonnen.

Entnazifizierung in der US-Zone

Politische Säuberung in der sowjetischen Besatzungszone

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