1890 - 1918 / 1919 - 1933 / 1933 - 1945 / 1945 - 1949 / 1949 - 1989 / 1989 - 2016
Widerstand
 

Die kommunistische Partei
Mit 360000 Mitgliedern und etwa sechs Millionen Wählern Ende 1932 war die Kommunistische Partei (KPD) die drittstärkste Partei in Deutschland.
Als einzige große Organisation bereitete sie sich frühzeitig auf die Fortsetzung ihres Kampfes gegen die NSDAP für den Fall der Machtübernahme durch Hitler vor. Die KPD gedachte, den Widerstand gegen Hitler aus dem Untergrund zu führen, und rüstete sich für ein Leben in der Illegalität. Verstecke für Mitgliederkarteien, Waffen, Vervielfältigungsgeräte und Papier zum Druck von Flugblättern wurden organisiert, die zentralisierte Parteibürokratie richtete sich auf das Fortbestehen als Geheimorganisation ein. Von den kleinsten Einheiten, den Straßen-, Stadtteil-, Betriebszellen, über Orts- und Bezirksleitungen bis zum Zentral-Komitee sollte die Parteiorganisation im Untergrund arbeiten. Die deutschen Kommunisten glaubten, gelenkt von der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau, darauf eingerichtet zu sein, mit Propagandamitteln im Alleingang den Nationalsozialismus zu überwinden. Zu den falschen Voraussetzungen für den Kampf gehörte die fortdauernde Frontstellung gegen die Sozialdemokraten, die von der KPD als "Soziallfaschisten" diffamiert und wie die NSDAP als Feinde gesehen wurden. Falsch war auch die Annahme, die Hitler-Regierung werde bald abgewirtschaftet haben. Unter politischem Widerstand verstanden die Kommunisten in den beiden Anfangsjahren des NS-Regimes die Demonstration ihrer Fortexistenz.
Kämpft gegen Hunger und Krieg! <br> Wählt Thälmann! <br> Plakat der KPD zur Reichspräsidentenwahl 1932 Kämpft gegen Hunger und Krieg!
Wählt Thälmann!
Plakat der KPD zur Reichspräsidentenwahl 1932


Am 7. Februar 1933 rief der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann auf einer geheimen Sitzung des Zentralkomitees in Ziegenhals bei Berlin die Parteifunktionäre zur "allerstärksten Aktivität" gegen die Hitlerregierung auf, um sie als "Regime des faschistischen Terrors, der kapitalistischen Aushungerung und des imperialistischen Krieges, als Regierung der Kapitalisten und Großgrundbesitzer (zu) entlarven". Das Rezept der KPD lautete: "Konzentration aller Kräfte auf die Entfaltung jeder Form des Massenwiderstandes, der Massenaktionen und Massenkämpfe auf der Linie: Demonstrationen, Streiks, Massenstreiks, Generalstreik." Die Kommunisten waren dem Terror, der unmittelbar nach Hitlers Regierungsübernahme hereinbrach, nicht gewachsen. Die Vorstellung, aus dem Untergrund heraus nicht nur den Nationalsozialismus zu besiegen, sondern auch eine durch ihn herbeigeführte revolutionäre Situation zu eigenen Gunsten ausnützen zu können, erwies sich sehr rasch als Illusion.
Die Nationalsozialisten nutzten den Reichstagsbrand in der Nacht des 27. Februar 1933 zum Verbot der KPD und zur gnadenlosen Jagd auf kommunistische Funktionäre. Für die NS-Propaganda stand fest, daß "die Kommunisten" das Reichstagsgebäude angezündet hatten. Für die daraus abgeleiteten Verfolgungen fanden die Nationalsozialisten Beifall auch außerhalb der eigenen Reihen. Bereits in den ersten Märzwochen wurden 11 000 Kommunisten verhaftet. Im Juni 1933 waren mehr als die Hälfte (17 von 28) Bezirksleitern der KPD nicht mehr in Freiheit, ebenso mehr als ein Drittel der Abgeordneten des Reichstags und des Preußischen Landtags.

Aufbau einer Auslandsleitung

Die Parteiführung wurde geteilt: im Juni 1933 verlegte die Partei einen Teil des Politbüros ins Ausland; als "Auslandsleitung" etablierten sich Wilhelm Pieck (1949-1960 Präsident der DDR), Franz Dahlem und Wilhelm Florin in Paris. Walter Ulbricht (1953-1971 Parteichef der SED in der DDR) und drei andere Mitglieder blieben als "Inlandsleitung" in Berlin. In grenznahen Orten des Auslands (Tschechoslowakei, Niederlande, Dänemark) und im Saargebiet (das noch bis 1935 unter Völkerbundsverwaltung stand) errichtete die KPD "Grenzstützpunkte". Von hier aus wurden Propagandaschriften nach Deutschland geschleust. Diese Stützpunkte dienten auch als Anlaufstationen für flüchtende Funktionäre und als Verbindungsgelenke zwischen den Aktivisten im Untergrund und der Emigration.
Der Kampf gegen die Nationalsozialisten wurde mit Flugblättern und Kleinzeitungen, Streuzetteln und Broschüren geführt. Sie wurden zunächst heimlich hergestellt in Deutschland, in zunehmendem Maße im Ausland gedruckt und unter großen Gefahren eingeschmuggelt und verteilt. Die Kommunisten erhofften davon zweifache Wirkungen: Einmal die Stärkung des Selbstbewußtseins in den eigenen Reihen; zum anderen sollten Schriften, z. B. über das KZ Dachau, den Deutschen die Augen öffnen und sie für den kommunistischen Widerstand gewinnen.
Gelegentlich machte die KPD durch spektakuläre Aktionen darauf aufmerksam, daß sie noch existierte: etwa durch rote Fahnen, die an Fabrikschornsteinen gehißt wurden, durch Sprechchöre auf Berliner Hinterhöfen und anderes mehr. So riskant und verlustreich diese Aktionen waren, so gering war doch ihre Wirkung. Während sich das NS-Regime festigte, lichteten sich die Reihen der Kommunisten immer schneller, ohne daß ihre massenhaft verbreiteten Druckschriften dem Nationalsozialismus geschadet oder den Kommunisten Verbündete aus anderen Oppositionskreisen eingebracht hätten. Die Zuchthäuser und Konzentrationslager füllten sich, die Führungspositionen der illegalen KPD mußten immer rascher neu besetzt werden.
Die Bilanz dieser Phase des kommunistischen Widerstandes ist mehr gekennzeichnet durch ungeheure Verluste als durch Erfolge. Der Aktionismus erschöpfte sich weitgehend in Demonstrationen, die Funktionären und Aktivisten Freiheit und Leben kosteten. Während die illegale kommunistische Organisation zerrieben und zerschlagen wurde, zweifelten auch immer mehr Kommunisten am Sinn der verlustreichen Propagandaoffensive; nicht zuletzt auch deshalb, weil die Flucht ins Ausland, auch wenn sie glückte, oft nicht die endgültige Rettung bedeutete. Denn die Funktionäre sollten sich nach dem Willen der Parteiführung im Exil nur erholen und für die Rückkehr zum illegalen Kampf in Deutschland stärken. Lediglich die am stärksten gefährdeten Unersetzlichen durften auf "Kampfposten Emigration" außerhalb des Deutschen Reiches verbleiben. Die rückblickende Feststellung eines Mitglieds der Auslandsleitung der KPD macht deutlich, welche Auffassung bis Mitte der 30er Jahre herrschte: Ein Menschenleben habe als gut und sinnvoll verbracht gegolten, wenn es in drei Monaten illegaler Arbeit gegipfelt habe. Ganz bewußt sind von der KPD also viele Menschen geopfert worden im Kampf gegen das NS-Regime unter falschen Voraussetzungen und in Anwendung ebenso erfolgloser wie verlustreicher Methoden.

Neue Taktik

Im August 1935 wurde im Anschluß an den Kongreß der Kommunistischen Internationale in Moskau eine Änderung der Taktik beschlossen. Die "Brüsseler Konferenz" (so lautete die Tarnbezeichnung für das Treffen deutscher Kommunisten in Moskau) stellte die Weichen neu: An die Stelle der Materialschlacht durch Druckschriften sollte Überzeugungsarbeit in den Betrieben treten, um unzufriedene Arbeiter über Kritik an der Sozialpolitik des NS-Staates als Verbündete zu gewinnen.
Der überzentralisierte Organisationsaufbau der KPD wurde aufgegeben, die Grenzstützpunkte außerhalb Deutschlands wurden ausgebaut, statt bürokratischer Gängelung sollte die illegale Parteibasis in größerer Eigenverantwortung den Kampf gegen das Hitlerregime führen. Zur neuen Taktik gehörte auch der Versuch, die bisher als "Sozialfaschisten" bekämpften Sozialdemokraten und andere Regimekritiker als Verbündete zu gewinnen (Volksfrontstrategie). Die Skepsis des sozialdemokratischen Widerstandes gegen die doktrinär-stalinistischen Kommunisten blieb bestehen. Von einem durch die KPD straff organisierten Widerstandskampf auf breiter Front gegen den Nationalsozialismus, wie er in der "Staatslegende" der DDR propagiert wurde, konnte in Wirklichkeit auch nach 1935 keine Rede sein. Die Propaganda-Aktivitäten hatten sich weitgehend in die Emigration verlagert.
Während die offizielle Basis des kommunistischen Widerstandes nach Stockholm (zur neuerrichteten "Auslandsleitung" der KPD) verlegt wurde, arbeiteten die noch in Deutschland operierenden kommunistischen Widerstandskämpfer seit dem Ausbruch der Zweiten Weltkrieges eigenständig. Ein Teil der aus KZ und Haftanstalten zurückgekehrten Funktionäre nahm den Kampf wieder auf, bildete neue Organisationen auf regionaler Ebene und versuchte auch die Vernetzung einzelner Gruppen. In Leipzig baute der Werkzeugschlosser Georg Schumann, der ehemals Reichstagsabgeordneter der KPD gewesen war, nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen 1938 eine Widerstandsorganisation auf. Im Juli 1944 verhaftete die Gestapo etwa 100 Mitglieder. Fast fünf Jahre lang hatte die Gruppe unentdeckt gearbeitet, Flugschriften gegen den Krieg verbreitet, die Wiedereinführung der Grundrechte propagiert und Sabotageaktionen in der Rüstungsindustrie betrieben. Die führenden Mitglieder der Gruppe wurden zum Tode verurteilt und noch im Januar 1945 hingerichtet.

Quelle: "Informationen zur politischen Bildung", Copyright
Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de


 
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