Deutsche Geschichten
Deutsche Revolution
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schützen, war nicht tragbar - am 4. Januar 1919 wurde Eichhorn entlassen. USPD, Revolutionäre Obleute und KPD riefen sogleich zu einer Protestdemonstration auf. Am 5. Januar strömte eine große, unerwartet aktionsbereite Menschenmenge zusammen. Die Situation geriet rasch außer Kontrolle; bewaffnete Demonstranten besetzten das Berliner Zeitungsviertel. In völliger Fehleinschätzung der Lage ließen sich die Führer der drei linksradikalen Gruppen zu dem Beschluss hinreißen, den Aufstand bis zum "Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann" fortzusetzen. Sie glaubten offenbar, die Wahl zur Nationalversammlung verhindern und die Revolution weitertreiben zu können.

Die Volksbeauftragten hatten sich rechtzeitig an den Stadtrand zurückgezogen. Mit den Worten: "Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!" übernahm Gustav Noske den Auftrag, in der Umgebung Berlins Freiwilligenverbände aufzustellen. Als Verhandlungen mit den Aufständischen scheiterten, ließ er am 11./12. Januar 1919 das Berliner Zeitungsviertel von seinen Freiwilligenverbänden beschießen und stürmen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Am 13. Januar konnte die Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung in Berlin bekannt gegeben werden. Dennoch ließ Noske am 15. Januar noch zusätzliche Freikorps der OHL in die Stadt einrücken. Aus deren Reihen stammte eine Gruppe von Offizieren um den Hauptmann Waldemar Pabst, die am selben Tag die KPD-Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in ihre Gewalt brachte und brutal ermordete.

Karl Liebknecht

Die Täter gingen vor dem Militärgericht straffrei aus bzw. entzogen sich ihrer geringen Freiheitsstrafe durch die Flucht.

Vom Verlust seiner beiden fähigsten Köpfe konnte sich der deutsche Kommunismus nie mehr erholen. Die KPD machte die MSPD für die Bluttat politisch verantwortlich; umgekehrt warf die MSPD der KPD vor, sie durch ihren sinnlosen Putschismus zum Militäreinsatz gezwungen zu haben. Aus der Gegnerschaft zwischen den beiden Parteien wurde eine erbitterte Feindschaft. Nach der blutigen Niederwerfung des Januaraufstandes radikalisierte sich auch die USPD.

Parlamentarische Demokratie

Am 19. Januar 1919 wurde die verfassung-
gebende Nationalversammlung gewählt. In 38 Wahlkreisen (mit nur organisatorischer Funktion) entfiel nach dem reinen Verhältnis-
wahlrecht auf je 150000 Stimmen ein Mandat. Nach der Senkung des Wahlalters von 25 auf 20 Jahre und der Einführung des Frauenwahl-
rechts durften 36,7 Millionen und damit gut zweieinhalb Mal so viele Menschen wählen wie bei den letzten Reichstagswahlen 1912. Die Wahlbeteiligung betrug 83 Prozent. Neben den

Ergebnissen von USPD und MSPD wurde mit besonderer Spannung das Abschneiden der bürgerlichen Parteien erwartet, die sich im November/Dezember 1918 neu formiert hatten. Ihre Stärke in der Nationalver-
sammlung musste darüber entscheiden, wie die Verfassung aussehen und welche gesellschaftlichen Reformen noch durchführbar sein würden. Zwischen den Parteien des Kaiserreiches und der Republik gab es eine bemerkenswerte Kontinuität.

Bürgerliche Parteien
Im Lager des bürgerlichen Liberalismus setzte sich die überkommene Spaltung fort.

Eindeutige Wahlsieger waren die Mehrheits-
sozialdemokraten. MSPD, DDP und Zentrum - die "Mehrheitsparteien" im letzten kaiserlichen Reichstag - brachten es gemeinsam auf 76,1 Prozent der Wählerstimmen, was Republik und Demokratie ein solides Fundament zu verleihen schien. Die beiden sozialdemokrati-
schen Parteien blieben zusammen deutlich unter, die bürgerlichen Parteien über der 50-Prozent-Marke - ein Trend, der sich bei sechs Landtagswahlen im Dezember und Januar bereits abgezeichnet hatte. Insgesamt bedeutete das Wahlergebnis einen großen Sieg für die Anhänger der parlamentarischen Demokratie und eine klare Niederlage für deren linksradikale und monarchistische Gegner, aber auch eine herbe Enttäuschung für alle Befürworter von tiefgreifenden Ge-
sellschaftsreformen mittels Sozialisierungen.

Die neue Macht

Am 4. Februar 1919 übertrug der vom Reichsrätekongress gewählte "Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik" seine Gewalt auf die Nationalversammlung. Diese trat am 6. Februar nicht im Reichstag, sondern im Weimarer Nationaltheater zusammen - einerseits, um nach dem Berliner Januaraufstand ungestört zu beraten; andererseits, um das republikanische Deutschland symbolisch mit den humanistischen, aufklärerischen und klassischen Traditionen der deutschen Kultur zu verbinden. Am 11. Februar wählten die Abgeordneten Friedrich Ebert zum ersten Reichspräsidenten; dieser beauftragte Philipp Scheidemann mit der Regierungsbildung. Am 13. Februar wurde die erste, vom ganzen deutschen Volk legitimierte, parlamentarisch-demokratische Regierung aus Ministern der MSPD, der DDP und des Zentrums ("Weimarer Koalition") vereidigt. Danach begannen die Verfassungsberatungen und die allgemeine Gesetzgebung.
In den folgenden Wochen traf die Nationalversammlung wichtige gesetzliche Grundsatzentscheidungen:

· Das Gesetz über die vorläufige Reichswehr vom 6. März 1919 schuf ein einheitliches Militär, das einen Teil der Freikorpsverbände integrierte. Aber auch die übrigen Freikorps blieben vorerst bestehen. Die OHL wurde bestätigt; erst der Friedensvertrag von Versailles erzwang ihre Auflösung.

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