Deutsche Geschichten
Opposition in der DDR
Opposition in der DDR
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Oppositionelle Gruppen

Gleichwohl haben die Antragsteller zum Zusammenbruch des SED-Staates mindestens so viel beigetragen wie die oppositionellen Gruppen; denn letztlich konnte die DDR-Führung dieses Dauerproblem nicht lösen. Das enorme Anschwellen der Ausreiseanträge im Jahr 1989, zusammen mit der Massenflucht über Ungarn bzw. die Botschaften der Bundes-
republik in Prag und Warschau, ihre Sogwir-
kung auf weitere Menschen in der DDR, und nicht zuletzt die weltweite Übertragung dieser Bilder in den Medien sollten zur völligen internationalen Diskreditierung des SED-Regimes führen und seinen Kollaps einleiten.
Doch ein so rasches Ende der DDR schien in den achtziger Jahren noch völlig irreal und wurde von niemandem erwartet. Stattdessen demonstrierte die „Staatsmacht“ immer wieder ihre Stärke, indem es ihr wiederholt gelang, die meist im Umkreis der Kirchen angesiedel-
ten Gruppen zu zerschlagen oder in ihrer Wirkungstätigkeit stark einzuschränken. Mundtot machen konnte sie diese Opposition jedoch nicht. Die Gruppen fuhren fort, Alternativen zu politisch wie ideologisch vorgegebenen Auffassungen zu artikulieren. Darin lag ihre eigentliche Attraktivität besonders für die junge Generation. Vor diesem Hintergrund hatten der Reformkom-
munist Robert Havemann (1910–1982) und der systemkritische Pfarrer und Bürgerrechtler Rainer Eppelmann am 25. Januar 1982 gemeinsam ihren „Berliner Appell“ verfasst.

Robert Havemann

Im selben Jahr bildete sich in Reaktion auf das Gesetz über den Wehrdienst vom März 1982 und die darin enthaltene Bestimmung, dass bei Mobilmachung sowie im Verteidigungsfall künftig auch Frauen der Wehrpflicht unter-
worfen sein sollten, die von Bärbel Bohley und Ulrike Poppe gegründete Gruppe „Frauen für den Frieden“. Der „Friedensgemeinschaft Jena“ wiederum gelang es, bis zu ihrer späteren, brutalen Zerschlagung, mit gewaltlosem Widerstand, öffentlichen Demonstrationen und bewusster Aufnahme von Kontakten zu westlichen Medien, neue Methoden in der Auseinandersetzung mit SED, MfS und den Sicherheitsorganen zu entwickeln.

Konfliktsituationen

Schon Ende der siebziger, vermehrt aber Anfang der achtziger Jahre, waren, ebenfalls im Schutze der Kirchen, „sozialethische Gruppen“ entstanden; so zum Beispiel in Berlin, Leipzig und Schwerin, die sich vornehmlich mit Umweltfragen, aber auch

mit Problemen der Entwicklungsländer befassten. Besonders der 1983 in Berlin-Lichtenberg gegründete „Friedens- und Umweltkreis“ gewann an Bedeutung. Durch ihn entstand 1986 die Umweltbibliothek in der Zionskirche, welche die Untergrundzeitschrift „Umweltblätter“ herausgab und dadurch zu einem Kristallisationspunkt vor allem der Berliner Gruppen wurde, der Ausstrahlung auf die gesamte DDR hatte. Insbesondere die Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl im April 1986 und die nach-
folgende Desinformationskampagne der DDR-Behörden verschafften der Bewegung weiteren Zulauf. Einen bewussten politischen Schritt, der für die nach wie vor im Schutz der Kirchen agierenden Gruppen ein völlig neues Vorgehen bedeutete, leitete die im Januar 1986 gegrün-
dete „Initiative Frieden und Menschen-
rechte“ (IFM) ein, welche erstmals öffentlich auftrat und dabei namentlich unterzeichnete Appelle herausgab, unter anderem mit der Forderung nach umfassenden demokratischen Reformen.

Die Gruppen existierten trotz gelegentlicher Unterstützung durch prominente Politiker der „Grünen“ aus der Bundesrepublik am Rande der DDR-Gesellschaft und wurden von dieser auch nur marginal wahrgenommen. Sie rückten jedoch insbesondere in Berlin ab der zweiten Jahreshälfte 1987 nicht zuletzt durch die Berichterstattung westdeutscher Medien stärker in den Blickpunkt einer größeren Öffentlichkeit. Im zeitlichen Kontext mit dem gemeinsam von der SPD und SED erstellten Papier „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ im August 1987, besonders aber mit dem Honecker-Besuch in Bonn einen Monat später, konnten diese Gruppen von einer vorübergehenden deutschlandpolitisch motivierten Zurückhaltung der „staatlichen Organe“ profitieren. Wenig später jedoch legte das Regime wieder eine härtere Gangart ein und spitzte damit die latent weiter bestehende Konfliktsituation zu. Mit der Stürmung der Berliner Umwelt-
bibliothek durch das MfS in der Nacht vom 24./25. November 1987 und der Verhaftung ihrer Mitarbeitenden wurde eine neue Eskalationsstufe auf beiden Seiten erreicht; denn die Mitglieder und Sympathisanten der Gruppen begegneten diesem Vorgehen im Schutze der kirchlichen Bannmeile mit öffentlichen Mahnwachen und Protestkund-
gebungen, um die Freilassung der Verhafteten zu erzwingen. Als diese tatsächlich drei Tage später erfolgte, um einen internationalen Imageverlust zu vermeiden, bedeutete dies eine Niederlage der „Staatsmacht“.

Als sich Mitglieder der 1987 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Staatsbürgerschaft“, ein Zusammenschluss von Oppositionellen und Ausreisewilligen, mit eigenen Transparenten und Plakaten an der offiziellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 17. Januar 1988 beteiligten, nahmen sie bewusst den Konflikt mit dem Regime in Kauf. Trotz Behinderungen durch die Stasi gelang es

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