So steht es im Protokoll der Gestapo, die Elser vom 19. bis 23. November 1939 in Berlin im Reichssicherheitshauptamt verhörte. Dass möglicherweise viele so dachten wie der Attentäter, dass er ein ganz schlichter Handwerker ohne politischen Ehrgeiz, ohne Hintermänner oder Verbindungsleute zu irgendwelchen Widerstandskreisen war, das machte ihn für die Nationalsozialisten so unheimlich. Mit Legenden und Gerüchten über die angeblichen Drahtzieher hinter Georg Elser versuchten sie im Ausland die Einzeltat eines eigenbrötlerischen Mannes aus dem Volke zu verschleiern. Trotz aller Misshandlungen bei den Verhören konnte Elser nichts anderes mitteilen als die Wahrheit: Die seit 1933 von ihm beobachtete Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft und seit Herbst 1938 die Gewissheit, dass ein Krieg unvermeidlich sei, wenn Hitler an der Macht blieb, hätten ihn zu seiner Tat bewogen: "Ich stellte allein Betrachtungen an, wie man die Verhältnisse der Arbeiterschaft bessern und einen Krieg vermeiden könnte. Hierzu wurde ich von niemanden angeregt, auch wurde ich von niemandem in diesem Sinne beeinflusst." Unter dem Eindruck der "Sudetenkrise" im Herbst 1938 war Elser zu der Einsicht gekommen, dass die deutsche Außenpolitik nicht bei der Erpressung der Tschechoslowakei (zur Abtretung der Sudetengebiete im "Münchener Abkommen" Ende September 1938) stehenbleiben, sondern "anderen Ländern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und sich andere Länder einverleiben" würde "und dass deshalb ein Krieg unvermeidlich ist". Georg Elser sah, was jeder, der wollte, damals ebenfalls erkennen konnte, dass Hitler einen Eroberungskrieg plante. Elsers Gefühl für Anstand, Redlichkeit und Moral machte ihn zum Gegner des nationalsozialistischen Staates. Die Rettung vor dem drohenden Krieg erhoffte er durch den Tyrannenmord. Das war für den schwäbischen Handwerksgesellen die Lösung, die er einsam und allein beschlossen hatte und über die er mit seinem Gewissen lange zu Rate gegangen war: "Wenn ich gefragt werde, ob ich die von mir begangene Tat als Sünde im Sinne der protestantischen Lehre betrachte, so möchte ich sagen, im tieferen Sinne, nein! [...] Ich wollte ja auch durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern." Ein Jahr lang wendete Georg Elser alle Energie auf die Vorbereitung des Attentats. Am 8. November 1938 war er nach München gefahren, um die alljährlichen Feierlichkeiten im Bürgerbräukeller zu beobachten. Er plante, im folgenden Jahr, während der Hitler-Rede eine Bombe direkt hinter dem Rednerpult zu zünden, sie sollte auch die Umgebung Hitlers treffen. In der Heidenheimer Fabrik, in der er arbeitete, stahl er nach und nach 250 Pressstücke Pulver. Im März 1939 kündigte er und nahm eine Hilfsarbeiterstellung in einem Steinbruch an, wo er Kenntnisse in Sprengtechnik erwerben und weiteren Sprengstoff organisieren konnte. In der Freizeit beschäftigte er sich mit der Konstruktion seiner Höllenmaschine. Anfang August 1939 zog Elser nach München, mietete sich in einem möblierten Zimmer ein und verbrachte mindestens dreißig Nächte im Bürgerbräukeller, um die Bombe in die Säule einzubauen. Er aß immer im Bürgerbräu zu
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Abend, verbarg sich dann in einer Abstellkammer bis zur Sperrstunde und arbeitete dann mehrere Stunden an der Aushöhlung der Säule und schließlich an der Installation von Sprengsatz und Zünder. Den entstehenden Bauschutt sammelte er in einem Sack und trug ihn am Tage in einem Handkoffer davon. Der Polizei fiel es nicht schwer, Elser als den Attentäter zu identifizieren. Indizien waren auch seine geschwollenen und vereiterten Knie: Die Gestapo wusste, dass die wochenlange Arbeit zur Vorbereitung des Sprengsatzes in der Säule kniend verrichtet worden war und bestimmt Spuren hinterlassen hatte. Nach Folter und vielfachen Verhören wurde er ins KZ Sachsenhausen eingeliefert. Wahrscheinlich sollte er dort bis Kriegsende in Haft bleiben, um dann in einem Schauprozess gegen den britischen Geheimdienst benutzt zu werden. Anfang 1945 wurde Elser ins KZ Dachau evakuiert und dort am 9. April 1945 auf Befehl aus Berlin ermordet. Protest in der Rosenstraße Im Herbst 1941 begannen die Deportationen der deutschen Juden in die Ghettos und Vernichtungslager in Osteuropa, nachdem sie in jahrelanger Verfolgung entrechtet, gedemütigt, ihres Eigentums und ihrer Wohnungen beraubt worden waren. Eine Gruppe von Juden war vorläufig ausgespart: Es waren die Menschen, die mit einem nichtjüdischen Partner in einer von den Nationalsozialisten so genannten "Mischehe" lebten. Viele Diskriminierungen galten auch für sie und ihre Partner; dazu kam die ständige Angst vor ihrer eigenen Deportation. Eine Ehescheidung oder der Tod des Gatten bedeutete für den jüdischen Teil das Todesurteil, denn sein Schutz dauerte nur, solange die Ehe bestand. Und niemand wusste, wie lange die Nationalsozialisten diesen Personenkreis noch unbehelligt lassen, wann sie ihn in das Programm der Vernichtung einbeziehen würden. Zur Zwangsarbeit waren sie ohnehin verpflichtet wie die anderen Juden auch. Am 27. Februar 1943 sollten mit einem letzten Schlag alle noch im Deutschen Reich lebenden Juden "erfasst" und nach Auschwitz deportiert werden. Die Gestapo veranstaltete eine reichsweite Razzia. In Berlin traf die Aktion etwa 10 000 Juden, die in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit verrichteten. Sie wurden abgeholt und in Sammellager konzentriert. Unter ihnen waren auch etwa 1500, die in sogenannten "Mischehen" lebten. Sie wurden im Gebäude Rosenstraße 2-4 in Berlin festgehalten. Hier geschah etwas völlig Unerwartetes. Unter den nichtjüdischen Angehörigen, in der Mehrzahl waren es die Ehefrauen der inhaftierten Zwangsarbeiter, sprach sich die Aktion im Laufe des Tages herum. Immer mehr Frauen kamen in die Rosenstraße, schließlich waren es an die 200, entschlossen, um die Freiheit ihrer Männer zu kämpfen. Eine Woche lang demonstrierten die Frauen Tag und Nacht, ließen sich nicht durch Drohungen von SS und Polizei und auch nicht durch Maschinengewehre beirren. Sie riefen "Gebt uns unsere Männer heraus!", sie nannten die Nationalsozialisten lautstark "Mörder" und "Feiglinge" und sie wichen nicht, bis die Verhafteten am 6. März frei gelassen
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